Freitag, 4. September 2015

LA PAZ

Ich bin angekommen! 

Und das ist im Moment für mich selbst wirklich schwer zu begreifen. Ich versuche das mal anhand der letzten 2/3 Tage zu beschreiben:
Nach einem wirklich traurigen, aber auch schönen Abschied von meiner Familie am Frankfurter Flughafen flog ich zunächst alleine nach London Heathrow. Das Gefühlschaos beherrschte mich. Und das wurde auch dadurch nicht besser, dass mein Flug 50 Minuten Verspätung hatte. Der Sicherheitscheck hat ewig gedauert, sodass ich selbst sogar erst 10 Minuten vor geplantem Flugstart im Flugzeug ankam. Dann endlich auf meinem Platz fragte ich mich zum ersten Mal ernsthaft, warum ich überhaupt 1 ganzes Jahr in Bolivien verbringen möchte (und das noch auf deutschem Boden...). 
Zum Glück ging es ab diesem Zeitpunkt nur noch aufwärts - in London traf ich andere deutsche Freiwillige, nachdem ich wieder längere Zeit am Sicherheitscheck verbracht hatte. Mein ganzer Handgepäckkoffer wurde ausgepackt, um etwas Verdächtiges zu finden (was nicht der Fall war!).
Der Flug nach Miami war trotz 10 Stunden Flugzeit der schönste, den ich vermutlich je erlebt habe. Es war unglaublich leer, sodass jeder Passagier mindestens 3 Plätze für sich beanspruchen konnte. Mein erster Langstreckenflug ist also geschafft :-) 


Anschließend erlebten wir die langwierige Einreise in Miami (meine Finger sind zu klein für den Fingerabdruckautomaten...), denn wir mussten unser Gepäck abholen und hinter der nächsten Ecke wieder aufgeben, bevor es wieder durch den (vermutlich) sichersten Sicherheitscheck ging - und ich mein Mückenspray abgeben musste. Sicherheitsbeamte sind nicht unbedingt meine Freunde... 
Nach 3 Stunden Wartezeit startete der vollgepackte Flieger nach La Paz (Ortszeit 12 Uhr nachts, in Deutschland bereits 6 Uhr morgens). Leider war ich sehr verwöhnt vom vorherigen komfortablen Flug und wachte jede halbe Stunde auf. Ich konnte es nicht erwarten an zu kommen!

Das war nun vermutlich der langweiligste und anstrengendste Teil meiner bisherigen Reise, doch auch das gehört dazu - die Reise hierher ist kein Spaziergang.




6:30 Die Sonne geht auf, während wir landen - ein wunderschönes Bild!

Das 1. Foto auf bolivianischem Boden :-)
8:00
Wir werden von Julian, einem ICYE Bolivia-Mitarbeiter, abgeholt und treffen andere Freiwillige aus Österreich und Finnland. Das Gepäck von über 10 Freiwilligen wird auf dem Dach des Mini-Buses verstaut, mit dem wir fahren. Die Luft ist kalt, aber klar, und wir genießen die Sonnenstrahlen - und versuchen, etwaige Symptome der Höhenkrankheit an uns auszumachen (glücklicherweise ohne großen Erfolg).
Unser Gepäck auf dem Dach...


















8:30

Der Ausblick über La Paz von El Alto lässt uns alle staunen. Es ist atemberaubend, riesig und von einer wunderschönen Berglandschaft umgeben. Ich kann es gar nicht fassen, denn der Blick aus dem kleinen Fenster erscheint so unwirklich - lediglich die kalte Luft, der Gestank, das ständige Hupen und das Ruckeln des Busses erinnern daran, dass ich tatsächlich angekommen bin - Bienvenido en La Paz!


Wir fahren über eine Stunde durch die Stadt, um alle Freiwilligen in Gastfamilien oder WGs unterzubringen. Am Ende der Fahrt fallen mir immer wieder die Augen zu, dabei gibt es so viel zu sehen: Bolivianer im Anzug, Bolivianerinnen in Tracht, Straßenhunde, Hochhäuser, Ruinen und Baustellen, eine riesige Brücke, mitten in der Stadt ein riesiger Fels, in der Ferne schneebedeckte Berge.


Der 1. Blick über La Paz!
10:30
Ich komme in meiner Gastfamilie an. Sergio - mein Gastvater - arbeitet selbst manchmal bei ICYE und war selbst als junger Mann 1 Jahr in Dänemark. Das bedeutet, er spricht Englisch! (Juhu!) Jetzt lebt er mit seinen beiden Söhnen (12 und 14) und seiner Exfrau hier in Achumani. Er ist sehr sympathisch und wir unterhalten uns gut bei meinem ersten Coca-Tee (wer Matcha kennt, es schmeckt ähnlich!). Der Tee hält mich wach und ich versuche standhaft nicht einzuschlafen, als ich mich kurz in meinem Zimmer ausruhe. Um 1 haben die Kinder hier Schule aus und ich darf mitkommen, um sie abzuholen. Sie sind sehr nett und ich darf mit ihnen vor dem Mittagessen fernsehen. Die Serie ist auf Englisch mit spanischem Untertitel (mein Gehirn ist etwas überfordert).
Zum Mittagessen gibt es hier immer zuerst eine Suppe und anschließend die Hauptspeise - heute kocht die Köchin Vici für uns: traditionelle Gemüsesuppe mit Quinoa und anschließend "Falso conejo" ("Falscher Hase" = Nudeln mit (nicht Hasen-)Fleisch). Ich kann leider nicht so viel essen, aber das ist am Anfang normal. 
Am Nachmittag ruhe ich mich aus, melde mich bei meiner Familie und schreibe die ersten Erlebnisse nieder. Ich sitze im Garten vor dem Haus in der Sonne, die herrlich warm ist, obwohl hier Winter ist. Sobald sie aber hinter einem Haus verschwindet, ist es sofort spürbar kühler. Auch an das Klima muss ich mich noch gewöhnen! 

Abends spielen Sergio, die Jungs und ich Bingo und Uno. Bingo ist super, um die Zahlen zu wiederholen, und bei Uno lerne ich die Farben :-)

Mein Gastvater hört übrigens sehr gerne Musik und auch die Kinder singen mit - mir gefällt das sehr gut! So sitze ich auch jetzt hier im Vorraum zu unseren Zimmern und lausche der entspannenden spanischen und englischen Musik...

2. Tag in La Paz
Mein Gastvater begleitet mich bei meiner ersten Radio-Taxi-Fahrt zur Polizeistation. Dort müssen wir unser Visum beantragen - das bedeutet: Fotos für den Pass machen, Fingerabdrücke geben und Infos bestätigen. Trotzdem dauert das für alle 17 Freiwilligen ganze 4 Stunden...

Anschließend gehen wir in einem Restaurant, das in der Nähe der Sprachschule ist, Pizza essen. Am Anfang ist es wichtig, dass wir nichts von der Straße essen (außer trockenen Brötchen), obwohl an jeder Ecke kleine Stände stehen, die leckeres traditionelles Essen anbieten. Nach einem kurzen Einstufungsinterview für den Spanisch-Sprachkurs fahre ich nach Hause nach Achumani - mit dem Mini-Bus. Das ist ein wahres Abenteuer (zumindest beim ersten Mal): man stellt sich an den Straßenrand und hält nach dem richtigen Bus Ausschau. Die Richtung - zum Beispiel "Achumani Complejo" - steht auf dem Kleinbus, sodass man kurz winkt und schnell einsteigt. In einen Bus passen etwa 14 Personen und oftmals sind sie bis auf den letzten Platz belegt. Möchte man aussteigen, ruft man dem Fahrer z. B. "Voy a bajar, por favor" ("Ich möchte aussteigen, bitte") zu. Dann reicht man ihm das Geld nach vorne und steigt schnell aus (es hupen nämlich schon alle anderen). Eine Fahrt kostet zwischen 1,50Bs und 3Bs (das sind 25ct - 40ct) und damit kommt man durch die ganze Stadt!

Nach dem Abendessen habe ich begonnen, diesen Post zu schreiben, aber ich musste früh schlafen gehen, denn
am nächsten Morgen traf ich mich schon um 7:15 mit Jakob und Hannah, um mit dem Mini-Bus zum Krankenhaus zu fahren.

Salteña
Wir müssen für unser Visum ein Medical-Checkup machen lassen; das bedeutet zunächst auf den Papierkram warten, dann Blut- und Urintest, allgemeine Untersuchungen, sogar Röntgen, Zahnarzt und Angaben zur eigenen Familie. Jetzt fühle ich mich wirklich durchgecheckt! Glücklicherweise bin ich schon um 10 Uhr fertig, sodass ich etwas essen darf. Mittagessen gibt es dann für alle in einem kleinen Restaurant und wir bestellen Kleinigkeiten, ohne zu wissen, was sich dahinter verbirgt. Ich probiere Salteñas (Teigtaschen mit einer Gemüse-/Fleischfüllung) - sie schmecken mir gut :)
La iglesia San Francesco
Nachdem wir unser Glück beim INTERPOL-Büro versucht haben ("Kommt am Montag wieder!"), beschließen wir, in der freien Zeit das Zentrum von La Paz zu erkunden. Wir beginnen unsere Erkundungstour bei der Iglesia San Francesco und gelangen danach durch kleine Gassen zum berühmt-berüchtigten "Hexenmarkt"!

Meine ersten Lamaföten:























Alle kleinen Geschäfte bieten Pullover, Handschuhe, Schals aus weicher Alpaca-Wolle an und wir staunen über die Farben. Ich kaufe mir eine kleine Tasche für etwa 10€ :)

So sehen die Läden auf dem Hexenmarkt aus

















Personen, die als Löwen oder auch als Zebras verkleidet sind, regeln öfter den Verkehr (das ist kein Witz!) und verbreiten gute Laune :-)

Natürlich dürfen wir als gute Touristen das Regierungsviertel nicht außer Acht lassen. Ob der Präsident in dieser Gegend wohnt? Die Tauben auf dem Plaza sind unzählbar und außerdem sehr zahm (sie sitzen manchen Personen auf dem Kopf oder auf der Schulter, wenn sie gefüttert werden...).


Das Parlament

Calla 25 - Mein Zuhause in La Paz
Wir fahren mit dem Mini-Bus zurück zum Plaza Avaroa, um unsere fleißigen Freunde vom Spanischkurs abzuholen und gegen 18:30 bin ich zu Hause. Dort lerne ich Sergios Bruder kennen und wir trinken zusammen Tee.











So. Das ist bis jetzt passiert. Am Wochenende haben wir frei und planen, kleine Ausflüge zu machen und die "Metro" von La Paz auszutesten - ihr könnt gespannt sein!




Ich habe euch erzählt, dass ich selbst schwer begreifen kann, dass ich tatsächlich hier in Bolivien, in La Paz, bin. Es ist jedes Mal wieder ergreifend, die monströsen Berge zu sehen, die wie eine Krone der Stadt erscheinen. Wenn ich mir abends die Fotos des Tages ansehe, kann ich oft nicht glauben, dass ich sie mit eigener Hand aufgenommen habe. Ich bin oft ziemlich orientierungslos und muss die Karte und die anderen Freiwilligen um Hilfe bitten. Morgens wache ich auf und muss erst realisieren, dass ich in einem bolivianischen Bett liege. 
Aber! Es wird jeden Tag besser! Als wir auf eigene Faust in La Paz unterwegs waren, schien vieles greifbarer. Ich fühle den Stoff der Alpaca-Wolle, frage nach Preisen oder muss über eine Straße rennen, um nicht überfahren zu werden. Ich bin mittendrin.
Und freue mich sehr auf die nächsten 14 Tage La Paz!

Habt ein schönes Wochenende! Hasta luego!
Eure Sophie



4 Kommentare:

  1. Hola Rosa!
    Also das ist jetzt der 3. Versuch dir hier einen Kommentar zu hinterlassen :).
    Ich hoffe dir geht es immer noch gut und du genießt deine Zeit in La Paz. Solche Sachen wie in Miami können ja auch nur dir passieren, da ist doch tatsächlich dein Finger zu klein? :D :D
    Ich wollte dir nochmal für dein Geschenk danken! Ich bin sicher, dass ich es oft benutzen werde, damit ich dir in einem Jahr alles erzählen kann.
    Pass auf dich auf und vielleicht hören wir bald mal wieder voneinander.
    Besos :* :*
    Miriam

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    1. Liebste Miri, wie schön von dir zu hören!
      Mir geht es super hier und auch die Höhe macht mir zum Glück nicht viel aus. Schade, dass wir damals nicht mit Arco Iris zusammen hergekommen sind - es würde dir gefallen!
      Gern! Darauf freue ich mich jetzt schon <3

      Ich hoffe, du bist jetzt gut erholt und kannst dich jetzt ganz und gar Oldenburg widmen!
      Besos! :* Deine Sophie

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  2. Hallo Sophie,

    ich verfolge mit Spannung Deinen Blog und bin froh, dass Du gesund und glücklich angekommen bist.
    Geniesse die Zeit und hab ganz viel Spass
    Liebe Grüße aus Hofheim
    Christoph

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    1. Hola Christoph!
      Das freut mich sehr! Ich hoffe, es geht euch allen gut und ihr hattet einen guten Start in das neue Schuljahr :)

      Muchas gracias und liebe Grüße aus La Paz an alle!
      Eure Sophie

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